Beispiel Timer-Interrupt (PI4): Unterschied zwischen den Versionen

Aus C und Assembler mit Raspberry
 
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Aktuelle Version vom 8. August 2025, 08:55 Uhr

Beispiel: Timer-Interrupt auf dem Raspberry Pi 4

Nachdem wir im letzten Kapitel die Grundlagen zu Interrupts kennengelernt haben, setzen wir nun das Gelernte in die Praxis um. In diesem Kapitel richten wir einen Timer-Interrupt ein, der alle eine Sekunde auslöst.

Wir verwenden den Systemtimer des ARM-Prozessors (Generic Timer) zusammen mit dem GIC-400 Interrupt-Controller (Generic Interrupt Controller). Der Interrupt führt eine einfache Aktion aus: Ein kleiner "Rotor" (Ladeanimation) dreht sich im oberen rechten Bildschirmbereich.

Dieses Beispiel zeigt dir Schritt für Schritt, wie du:

  • einen Timer konfigurierst,
  • Interrupts über den GIC aktivierst,
  • einen Interrupt-Handler schreibst und
  • den Timer nach jeder Auslösung zurücksetzt.

Wir verzichten zunächst auf Gleitkomma-Unterstützung, um den Code einfach und übersichtlich zu halten.

Vektortabelle anpassen

Zuerst erweitern wir unsere Vektortabelle, um den Timer-Interrupt korrekt zu verarbeiten. Da wir uns zunächst nur auf IRQs konzentrieren, leiten wir alle anderen Ausnahmen in eine Dauerschleife um.

Der folgende Code gehört in die Datei vector.s.

.section .text

.align 11
.globl VectorTable
VectorTable:
    // EL1 mit SP_EL0 (Benutzermodus)
    .align 7
    b hang            // Synchronous Exception
    .align 7
    b IRQStub         // IRQ - Normal Interrupt
    .align 7
    b hang            // FIQ - Fast Interrupt
    .align 7
    b hang            // SError - System Error

    // EL1 mit SP_EL1 (Kernelmodus)
    .align 7
    b hang            // Synchronous Exception
    .align 7
    b IRQStub         // IRQ - Normal Interrupt
    .align 7
    b hang            // FIQ - Fast Interrupt
    .align 7
    b hang            // SError - System Error

    // EL0 64-Bit (nicht erlaubt)
    .align 7
    b hang
    .align 7
    b hang
    .align 7
    b hang
    .align 7
    b hang

    // EL0 32-Bit (nicht erlaubt)
    .align 7
    b hang
    .align 7
    b hang
    .align 7
    b hang
    .align 7
    b hang

// Einfache Dauerschleife für nicht behandelte Ausnahmen
hang:
    wfe              // CPU wartet auf Ereignis (spart Energie)
    b hang           // Zurück zur Schleife

> Hinweis: Alle nicht behandelten Ausnahmen führen in die Schleife hang. Nur der IRQ springt zum Handler IRQStub.

IRQ-Handler: IRQStub

Wenn ein Interrupt ausgelöst wird, springt der Prozessor zum Label IRQStub. Dort sichern wir zunächst alle Register auf dem Stack, rufen eine C-Funktion auf und stellen danach alles wieder her.

Auch dieser Teil gehört in vector.s.

.globl IRQStub
IRQStub:
    // Kontext sichern: Alle Register auf den Stack
    stp x29, x30, [sp, #-16]!
    stp x27, x28, [sp, #-16]!
    stp x25, x26, [sp, #-16]!
    stp x23, x24, [sp, #-16]!
    stp x21, x22, [sp, #-16]!
    stp x19, x20, [sp, #-16]!
    stp x17, x18, [sp, #-16]!
    stp x15, x16, [sp, #-16]!
    stp x13, x14, [sp, #-16]!
    stp x11, x12, [sp, #-16]!
    stp x9,  x10, [sp, #-16]!
    stp x7,  x8,  [sp, #-16]!
    stp x5,  x6,  [sp, #-16]!
    stp x3,  x4,  [sp, #-16]!
    stp x1,  x2,  [sp, #-16]!
    str x0,       [sp, #-16]!

    // Aufruf der C-Funktion: irq_dispatch
    bl irq_dispatch

    // Kontext wiederherstellen
    ldr x0,       [sp], #16
    ldp x1, x2,   [sp], #16
    ldp x3, x4,   [sp], #16
    ldp x5, x6,   [sp], #16
    ldp x7, x8,   [sp], #16
    ldp x9, x10,  [sp], #16
    ldp x11, x12, [sp], #16
    ldp x13, x14, [sp], #16
    ldp x15, x16, [sp], #16
    ldp x17, x18, [sp], #16
    ldp x19, x20, [sp], #16
    ldp x21, x22, [sp], #16
    ldp x23, x24, [sp], #16
    ldp x25, x26, [sp], #16
    ldp x27, x28, [sp], #16
    ldp x29, x30, [sp], #16

    eret           // Zurück zum unterbrochenen Code

Wichtig:

  • Der Handler sichert alle Register, da er nicht weiß, welcher Code unterbrochen wurde.
  • Nach dem Aufruf von irq_dispatch werden alle Register wiederhergestellt.
  • eret kehrt zum ursprünglichen Code zurück.

Interrupt-Controller initialisieren (GIC-400)

Wir verwenden den Generic Interrupt Controller (GIC-400), der im Raspberry Pi 4 integriert ist. Um den Timer-Interrupt zu nutzen, müssen wir den GIC konfigurieren.

Erstelle die Datei interrupt.c und füge folgende Funktion hinzu:

void Interrupt_Initialize(void)
{
    // Deaktiviere den Distributor vor der Konfiguration
    write32(0, GICD_CTLR);

    // Aktiviere den Timer-Interrupt (IRQ-ID = TIMER_IRQ_ID)
    write32((1 << TIMER_IRQ_ID), GICD_ISENABLER0);

    // Setze Priorität (alle auf mittel)
    write32(0xA0A0A0A0, GICD_IPRIORITYR7);

    // Ziel-CPU festlegen (CPU0)
    write32(0x01010101, GICD_ITARGETSR7);

    // Distributor wieder aktivieren
    write32(1, GICD_CTLR);

    // Prioritätsmaske setzen (akzeptiere alle Prioritäten)
    write32(0xFF, GICC_PMR);

    // CPU-Schnittstelle aktivieren
    write32(1, GICC_CTLR);
}

Erklärung der GIC-Register

Register Bedeutung
GICD_CTLR Steuert den Distributor (0 = aus, 1 = an).
GICD_ISENABLER0 Aktiviert Interrupts mit ID 0–31. Hier wird Bit TIMER_IRQ_ID gesetzt.
GICD_IPRIORITYR7 Setzt die Priorität für Interrupts 28–31. 0xA0 = mittlere Priorität.
GICD_ITARGETSR7 Legt fest, welcher CPU-Kern den Interrupt erhält. 0x01 = CPU0.
GICC_PMR Prioritätsmaske: Nur Interrupts mit höherer Priorität als 0xFF werden zugelassen.
GICC_CTLR Aktiviert die CPU-Schnittstelle des GIC.

Systemtimer konfigurieren

Der ARMv8-Prozessor verfügt über einen eingebauten System Counter und einen Core Timer (cntp). Wir nutzen diesen, um alle 1 Sekunde einen Interrupt auszulösen.

Füge folgende Funktion in deine C-Datei ein:

void InitCoreTimer(void)
{
    unsigned long freq;

    // Lese die System-Taktfrequenz (z. B. 1 MHz)
    asm volatile("mrs %0, cntfrq_el0" : "=r"(freq));

    // Setze den Timer auf 1 Sekunde (freq Zyklen)
    asm volatile("msr cntp_tval_el0, %0" :: "r"(freq));

    // Aktiviere den Timer (Bit 0 = enable)
    asm volatile("msr cntp_ctl_el0, %0" :: "r"(1));

    // Zusätzlich: Aktiviere den lokalen Timer im SoC (BCM2711)
    write32(2, TIMER_CNTRL0);
}

Erklärung der Timer-Register

Register Bedeutung
cntfrq_el0 Enthält die Frequenz des Systemzählers in Hz (z. B. 1.000.000).
cntp_tval_el0 Legt fest, nach wie vielen Takten der Timer auslöst. freq = 1 Sekunde.
cntp_ctl_el0 Steuerregister: Bit 0 aktiviert den Timer.
TIMER_CNTRL0 SoC-internes Steuerregister (Broadcom), aktiviert den Timer-Interrupt.

Globale Interrupts aktivieren

Zum Schluss müssen wir globale Interrupts im Prozessor aktivieren. Dazu verwenden wir das DAIF-Register.

Füge in eine Assembly-Datei (z. B. util.S) folgenden Code ein:

.globl irq_enable
irq_enable:
    msr daifclr, #0xf    // Lösche alle DAIF-Flags (D, A, I, F)
    ret

Hinweis: daifclr, #0xf entsperrt alle Interrupts (IRQ, FIQ, SError, Debug).

Der Interrupt-Dispatcher

Die Funktion irq_dispatch ist der zentrale Punkt, an dem alle IRQs landen. Sie prüft, welcher Interrupt ausgelöst wurde, und ruft den passenden Handler auf.

void irq_dispatch(void)
{
    u32 irq = read32(GICC_IAR);  // Lese die IRQ-ID

    if (irq == TIMER_IRQ_ID)
    {
        timer_irq_handler();     // Behandele Timer-Interrupt
    }
    else
    {
        printf("Unbekannter IRQ: %d\n", irq);
    }

    // Melde "Ende des Interrupts" an den GIC
    write32(irq, GICC_EOIR);
}

Wichtige GIC-Register

Register Bedeutung
GICC_IAR Interrupt Acknowledge Register: Gibt die ID des auslösenden Interrupts zurück.
GICC_EOIR End of Interrupt Register: Signalisiert, dass der Interrupt behandelt ist.

Wichtig: Ohne GICC_EOIR bleibt der Interrupt aktiv und kann nicht erneut ausgelöst werden!

Timer-Interrupt-Handler

Der eigentliche Handler führt die gewünschte Aktion aus. In unserem Fall aktualisieren wir einen kleinen Rotor im oberen rechten Bildschirmbereich.

u32 Rotor = 0;

void timer_irq_handler(void)
{
    // Zeichne den nächsten Rotor-Zustand
    if (Rotor == 0)
    {
        DrawChar('/', SCREEN_X - 8, 0);
        Rotor++;
    }
    else if (Rotor == 1)
    {
        DrawChar('-', SCREEN_X - 8, 0);
        Rotor++;
    }
    else if (Rotor == 2)
    {
        DrawChar('\\', SCREEN_X - 8, 0);
        Rotor++;
    }
    else if (Rotor == 3)
    {
        DrawChar('|', SCREEN_X - 8, 0);
        Rotor = 0;
    }

    // Timer für nächste Sekunde zurücksetzen
    unsigned long freq;
    asm volatile("mrs %0, cntfrq_el0" : "=r"(freq));
    asm volatile("msr cntp_tval_el0, %0" :: "r"(freq));
}

Hinweis: Der Timer wird nach jeder Auslösung neu gestartet, um den 1-Sekunden-Takt beizubehalten.

Zusammenfassung

Du hast jetzt einen vollständigen Timer-Interrupt auf dem Raspberry Pi 4 im Bare-Metal-Modus implementiert!

  • Die Vektortabelle leitet den IRQ an IRQStub weiter.
  • IRQStub sichert den Kontext und ruft irq_dispatch in C auf.
  • Der GIC wird konfiguriert, um den Timer-Interrupt zu empfangen.
  • Der Systemtimer wird auf 1 Sekunde eingestellt.
  • Der Handler aktualisiert eine Anzeige und setzt den Timer zurück.

Mit diesem Wissen kannst du nun auch andere Interrupts (z. B. von GPIO, UART oder dem Network-Controller) einrichten.

Den Kompletten Sourcecode bekommst du hier: Source


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