Systemaufrufe

Aus C und Assembler mit Raspberry

In diesem Kapitel werden wir uns mit Systemaufrufen unter Linux beschäftigen. Insbesondere werden wir:

Eine Einführung in Linux-Systemaufrufe geben, Grundlegende Systemaufrufe wie exit, read, write, open und close kennenlernen und Erklären, wie Parameter übergeben und Rückgabewerte entgegengenommen werden.

Einführung in Linux-Systemaufrufe

Systemaufrufe sind Schnittstellen, die es Programmen ermöglichen, Dienste und Funktionen des Betriebssystems in Anspruch zu nehmen. Diese können niedrigere Eingabe-/Ausgabe-Funktionen, Prozesssteuerung, Speicherverwaltung und mehr umfassen. In ARM64-Assembler verwenden wir den svc-Befehl, um Systemaufrufe auszuführen. Dabei tragen wir die Nummer des spezifischen Systemaufrufs in Register x8 ein und die Parameter in Registers x0 bis x5.

Grundlegende Systemaufrufe

exit

Dieser Systemaufruf beendet das Programm.

Syntax:

mov x8, #93   // syscall number for exit
mov x0, #0    // exit code (0 for success)
svc 0

read

Dieser Systemaufruf liest Daten von einer Datei.

Syntax:

mov x8, #63           // syscall number for read
mov x0, #file_desc    // file descriptor (0 for stdin)
mov x1, #buffer       // buffer to store the read data
mov x2, #size         // number of bytes to read
svc 0

write

Dieser Systemaufruf schreibt Daten in eine Datei.

Syntax:

mov x8, #64           // syscall number for write
mov x0, #file_desc    // file descriptor (1 for stdout)
mov x1, #buffer       // buffer with data to write
mov x2, #size         // number of bytes to write
svc 0

open

Dieser Systemaufruf öffnet eine Datei und gibt einen Datei-Deskriptor zurück.

Syntax:

mov x8, #56           // syscall number for openat
mov x0, #-100         // AT_FDCWD (current working directory)
mov x1, #filename     // pointer to the filename string
mov x2, #flags        // flags (e.g., O_RDONLY for read only)
svc 0

close

Dieser Systemaufruf schließt eine Datei.

Syntax:

mov x8, #57           // syscall number for close
mov x0, #file_desc    // file descriptor
svc 0

Übergabe von Parametern und Entgegennahme von Rückgabewerten

Die Übergabe von Parametern erfolgt über bestimmte Register:

  • x0 bis x5 für die ersten sechs Argumente
  • x8 für die Systemaufrufnummer

Rückgabewerte werden in x0 zurückgegeben.

Beispiel:

.global _start

.section .data
hello_msg: .asciz "Hello, World!\n"

_start:
    // write system call
    mov x0, #1         // file descriptor (1 for stdout)
    ldr x1, =hello_msg // buffer
    mov x2, #13        // size
    mov x8, #64        // syscall number for write
    svc 0

    // exit system call
    mov x0, #0         // exit code
    mov x8, #93        // syscall number for exit
    svc 0

In diesem Beispiel wird die Zeichenkette "Hello, World!\n" auf die Standardausgabe geschrieben und danach das Programm mit dem Rückgabewert 0 beendet.

Verweis auf alle verfügbaren Linux-Systemaufrufe

Eine vollständige Liste der verfügbaren Linux-Systemaufrufe und deren Nummern finden Sie in den entsprechenden Header-Dateien des Systems, wie z.B. in /usr/include/asm/unistd.h oder online in den offiziellen Linux-Kernel-Dokumentationen.

Eine häufig verwendete Referenz für Systemaufrufe ist die Man-Seite (man 2 syscall). Eine umfassendere Liste spezifisch für den ARM64-Architektur habe ich hier erstellt: Übersicht der Linux ARM64 Systemaufrufen

Fehlercodes

Wenn ein Systemcall ausgeführt wird (z. B. write, open, read), prüft der Kernel, ob die Anfrage gültig ist, und führt sie aus – oder gibt einen Fehlercode zurück, wenn etwas schiefgeht.

Viele Systemcalls geben in x0 ein Ergebnis wie zum Beispiel die Anzahl von Bytes, ein Dateideskriptor, PID oder anderes zurück, wenn alles geklappt hat. Sollte allerdings ein negatives Ergebnis (errno) zurück kommen, so hat in der Regel etwas nicht funktioniert.

Beispiel:

    // Datei öffnen (openat)
    mov     x0,  AT_FDCWD        // aktuelles Verzeichnis
    ldr     x1,  =filename       // Dateiname
    mov     x2,  #0              // O_RDONLY
    mov     x8,  #56             // syscall number für openat
    svc     #0

    // Rückgabewert ist jetzt in x0
    cmp     x0, #0
    b.ge    open_success         // x0 >= 0 → Erfolg

    // Fehlerbehandlung
    neg     x1, x0               // Fehlercode positiv machen
    // Jetzt enthält x1 z.B. 2 → ENOENT (Datei nicht gefunden)

open_success:
    // normal weiter...

Übersicht der Fehlercodes

Strukturen bei Systemcalls

einige Systemcalls in Linux (auch auf ARM64) erwarten Strukturen als Argumente – also zusammengesetzte Daten, die im Speicher bereitgestellt werden müssen und dann per Zeiger übergeben werden.

Strukturen an Systemcalls übergeben (ARM64/Linux)

Einige Systemcalls (z. B. stat, gettimeofday, timespec, uname, poll, etc.) brauchen als Argument einen Zeiger auf eine Struktur, die im Speicher angelegt ist.

Auf folgendes ist zu achten:

  • Speicher für die Struktur bereitstellen (z. B. über .skip oder .space)
  • Die Struktur ggf. initialisieren (z. B. Null setzen oder Werte eintragen)
  • Den Zeiger zur Struktur ins richtige Register laden (z. B. x1)

Beispiel 1: uname-Systemcall

Dieser Systemcall füllt eine struct utsname mit Informationen über das System (wie uname -a in der Shell).

// C-Definition:
struct utsname {
    char sysname[65];
    char nodename[65];
    char release[65];
    char version[65];
    char machine[65];
    char domainname[65]; // oft ignoriert
};

Gesamtgröße: mindestens 390 Bytes

Assembler-Beispiel: uname aufrufen und sysname (z. B. „Linux“) ausgeben

.section .bss
utsbuf:     .skip 390             // Speicher für struct utsname
outbuf:     .skip 65              // Puffer zum Ausgeben von sysname

.section .text
.global _start

_start:
    // Systemcall: uname(struct utsname *buf)
    // syscall number: 160

    ldr     x0, =utsbuf           // Zeiger auf struct utsname
    mov     x8, #160              // syscall number
    svc     #0

    // Rückgabewert in x0: 0 bei Erfolg, sonst -errno
    cmp     x0, #0
    b.ne    uname_fail

    // Jetzt sysname (erstes Feld der Struktur) ausgeben:
    // Es ist eine nullterminierte Zeichenkette

    ldr     x1, =utsbuf           // sysname ist am Anfang
    bl      print_string

    b       done

uname_fail:
    // Fehlerausgabe (optional)
    ldr     x1, =failmsg
    bl      print_string

done:
    // exit(0)
    mov     x0, #0
    mov     x8, #93
    svc     #0

// Ausgabe-Funktion (x1 = Zeiger auf 0-terminierten String)
print_string:
    mov     x2, #0
count_loop:
    ldrb    w3, [x1, x2]
    cbz     w3, print_now
    add     x2, x2, #1
    b       count_loop
print_now:
    mov     x0, #1          // stdout
    mov     x8, #64         // write
    svc     #0
    ret

.section .data
failmsg: .asciz "uname failed\n"

Kompilieren & Ausführen

as -o uname.o uname.s
ld -o uname uname.o
./uname

Erwartete Ausgabe:

Linux

Weitere Beispiele für strukturbasierte Syscalls

Systemcall Struktur Zweck
uname struct utsname Systeminfo
statx struct statx Dateiinformation
gettimeofday struct timeval aktuelle Uhrzeit
nanosleep struct timespec schlafen für Zeitspanne
poll struct pollfd Warten auf Dateideskriptor

Beispiel 2: nanosleep mit struct timespec

// struct timespec {
    long tv_sec;        // ganze Sekunden
    long tv_nsec;       // Nanosekunden
// };

Schlafen für 2 Sekunden:

.section .data
timespec:
    .quad 2             // tv_sec = 2
    .quad 0             // tv_nsec = 0

.section .text
.global _start

_start:
    ldr     x0, =timespec     // Zeiger auf timespec
    mov     x1, #0            // NULL für "remaining"
    mov     x8, #101          // syscall: nanosleep
    svc     #0

    // done
    mov     x0, #0
    mov     x8, #93
    svc     #0

Arbeiten mit Dateien

Siehe hier auch das Incude an: https://github.com/torvalds/linux/blob/master/include/uapi/asm-generic/fcntl.h

Datei öffnen (openat)

mov     x0, #-100         // AT_FDCWD (aktuelles Verzeichnis)
ldr     x1, =Dateiname    // char *pathname
mov     x2, #0            // flags z. B. O_RDONLY (0), O_WRONLY, O_CREAT usw.
mov     x3, #0            // Modus (z. B. 0666) – nur relevant bei O_CREAT
mov     x8, #56           // openat
svc     #0

// Rückgabewert (File Descriptor) in x0
adds    x10, x0, #0       // File Descriptor in x10 speichern
bpl     ok                // Wenn >= 0, dann erfolgreich
// Fehlerbehandlung

Datei schließen (close)

mov     x0, x10           // File Descriptor
mov     x8, #57           // __NR_close
svc     #0

Lesen aus einer Datei (read)

mov     x0, x10           // File Descriptor
ldr     x1, =buffer       // Zielpuffer
mov     x2, #256          // Anzahl der Bytes
mov     x8, #63           // __NR_read
svc     #0

In Datei schreiben (write)

mov     x0, x10           // File Descriptor
ldr     x1, =buffer       // Quelle
mov     x2, #256          // Anzahl der Bytes
mov     x8, #64           // __NR_write
svc     #0

Beispiel

Ein Beispiel das zeigt, wie Sie eine Datei öffnen, die Daten lesen, bearbeiten und anschließend die bearbeiteten Daten in einer anderen Datei speichern können. Ich werde dafür Systemaufrufe (syscalls) verwenden.

  • Überblick der Schritte:
  1. Datei öffnen (open).
  2. Daten aus der Datei lesen (read).
  3. Daten bearbeiten (In diesem Beispiel ändern wir die Daten nicht, sie könnten aber leicht modifiziert werden).
  4. Neue Datei erstellen und öffnen (open).
  5. Daten in die neue Datei schreiben (write).
  6. Beide Dateien schließen (close).
  • Vollständiges Beispiel in ARM64-Assembler:
.section .data
filename:     .asciz "input.txt"
newfilename:  .asciz "output.txt"
buffer:       .space 1024

.section .text
.global _start
_start:
    // input.txt öffnen
    mov     x0, #-100          // AT_FDCWD
    ldr     x1, =filename
    mov     x2, #0             // O_RDONLY
    mov     x3, #0             // mode (nicht benötigt)
    mov     x8, #56            // openat
    svc     #0
    mov     x19, x0            // FD in x19

    // Lesen
    mov     x0, x19
    ldr     x1, =buffer
    mov     x2, #1024
    mov     x8, #63            // read
    svc     #0
    mov     x20, x0            // Gelesene Bytes

    // output.txt öffnen (schreibend, erstellen, ggf. überschreiben)
    mov     x0, #-100
    ldr     x1, =newfilename
    mov     x2, #577           // O_WRONLY | O_CREAT | O_TRUNC (0x241)
    mov     x3, #0o644         // rw-r--r--
    mov     x8, #56            // openat
    svc     #0
    mov     x21, x0            // FD für Ausgabe

    // Schreiben
    mov     x0, x21
    ldr     x1, =buffer
    mov     x2, x20
    mov     x8, #64            // write
    svc     #0

    // Eingabedatei schließen
    mov     x0, x19
    mov     x8, #57            // close
    svc     #0

    // Ausgabedatei schließen
    mov     x0, x21
    mov     x8, #57
    svc     #0

    // Programm beenden
    mov     x0, #0
    mov     x8, #93            // exit
    svc     #0

Erklärung wichtiger Flags

Die Flags findest du unter:

fcntl.h auf GitHub

Beispiele:

#define O_RDONLY        00000000
#define O_WRONLY        00000001
#define O_RDWR          00000002
#define O_CREAT         00000100
#define O_TRUNC         00001000

Kombination z. B.:

O_WRONLY | O_CREAT | O_TRUNC = 0x1 | 0x100 | 0x1000 = 0x1101 = 577 dezimal