Interrupts (PI4): Unterschied zwischen den Versionen

Aus C und Assembler mit Raspberry
 
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Interrupts sind Signale, die den normalen Ablauf eines Prozessors unterbrechen, um spezielle Routineabläufe auszuführen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung und Kommunikation in Echtzeitsystemen und bei der Handhabung von Hardware-Ereignissen.
== Interrupts auf dem Raspberry Pi 4 (Bare Metal) ==


== Definition von Interrupts ==
Interrupts sind Signale, die den normalen Ablauf des Prozessors unterbrechen, um auf bestimmte Ereignisse zu reagieren. Sie sind besonders wichtig in Echtzeitsystemen und bei der Steuerung von Hardware – zum Beispiel, wenn ein Timer abläuft oder eine Taste gedrückt wird.


Ein Interrupt ist ein Signal, das den CPU dazu veranlasst, den aktuell ausgeführten Befehlssatz zu unterbrechen und eine Interrupt Service Routine (ISR) oder Interrupt-Handler auszuführen.
In diesem Kapitel lernst du, wie Interrupts auf dem Raspberry Pi 4 im Bare-Metal-Modus funktionieren und wie du sie sicher einrichten kannst.


== Auslöser für Interrupts ==
== Was ist ein Interrupt? ==


Interrupts können durch verschiedene Ereignisse ausgelöst werden:
Ein '''Interrupt''' (zu Deutsch: „Unterbrechung“) ist ein Signal, das den Prozessor dazu bringt, den gerade laufenden Code kurz zu pausieren. Stattdessen führt er eine spezielle Funktion aus – den sogenannten '''Interrupt-Handler''' (auch ''Interrupt Service Routine'', kurz ISR).


=== Externe Hardware-Ereignisse ===
Sobald der Handler fertig ist, kehrt der Prozessor an die Stelle zurück, an der er unterbrochen wurde, und arbeitet dort weiter.


* Tastatureingaben, wie das Drücken einer Taste..
== Wann treten Interrupts auf? ==
* Mausbewegungen: Wenn die Maus bewegt wird oder eine Taste gedrückt wird.
* Timer: Timer können so konfiguriert werden, dass sie periodische Interrupts auslösen.


=== Interne Hardware-Ereignisse ===
Interrupts können durch verschiedene Ereignisse ausgelöst werden:


* Peripheriegeräte: Ereignisse von Geräten wie Netzwerkadaptern, Festplatten, usw.
* '''Externe Hardware''':
* Signale von Sensoren: Daten von Temperatursensoren, Beschleunigungssensoren, usw.
  Zum Beispiel: Tastatur, Maus, Timer, GPIO-Pins.
* '''Interne Geräte''':
  Netzwerkadapter, Speichercontroller, Sensoren (Temperatur, Beschleunigung).
* '''Software-Ereignisse''': 
  Systemaufrufe (z. B. svc-Befehl) oder Fehler wie Division durch Null.


=== Betriebssystem-Ereignisse ===
== Arten von Interrupts ==


* Systemaufrufe: Bestimmte Anfragen von Software an das Betriebssystem.
Es gibt zwei wichtige Arten:
* Fehlermeldungen: Wenn Fehler wie Division durch Null oder Speicherzugriffsfehler auftreten.


== Typen von Interrupts ==
* '''Maskierbare Interrupts (IRQ)''': 
  Diese können vom Prozessor vorübergehend '''ausgeschaltet''' werden. Die meisten Interrupts (z. B. von Timern oder GPIO) sind IRQs.


Interrupts können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden::
* '''Nicht maskierbare Interrupts (NMI)''': 
  Diese '''können nicht ignoriert''' werden und haben höchste Priorität. Sie werden nur bei kritischen Fehlern oder Systemereignissen verwendet.


* Maskierbare Interrupts: Diese können vom CPU vorübergehend ignoriert oder maskiert werden.
== Betriebsmodi und Interrupts (ARMv8) ==
* Nicht maskierbare Interrupts (NMI): Diese können nicht ignoriert werden und haben höchste Priorität.


== Betriebsmodi und Interrupts ==
Der Raspberry Pi 4 nutzt einen '''ARM Cortex-A72'''-Prozessor mit 64-Bit-Architektur (AArch64). ARM unterscheidet verschiedene '''Exception Levels (EL)''':


Der ARM-Cortex-A72-Prozessor, der im Raspberry Pi 4 verwendet wird, unterstützt verschiedene Ebenen und Modi, die sich auf das Verhalten von Interrupts auswirken können:
* '''EL0''': Anwendungen (wenig Rechte) 
* '''EL1''': Betriebssystem oder Bare-Metal-Kernel (hohe Rechte) 
* '''EL2''': Hypervisor (z. B. für Virtualisierung) 
* '''EL3''': Firmware (höchste Rechte)


=== Interrupt Enable Stufe (EL1 und niedrigere Ebenen) ===
'''Wichtig''': Interrupts können nur in EL1 oder höher korrekt behandelt werden. Beim Start landet der Pi meist in '''EL2''', daher müssen wir in '''EL1''' wechseln.


Der Prozessor muss sich in einem Modus befinden, in dem Interrupts erlaubt sind (EL1 oder niedriger). Dies bedeutet, dass die globalen Interrupts nicht deaktiviert sein dürfen. Dies wird durch das Setzen bestimmter Bits im Program Status Register (PSTATE) kontrolliert.
== Interrupts aktivieren: Die DAIF-Flags ==


=== DAIF-Flags (erlauben Interrupts) ===
Ob Interrupts erlaubt sind, wird über das '''DAIF-Register''' gesteuert. Es enthält vier Flags:


{| class="wikitable"
{| class="wikitable"
| D || Debug-Exceptions
! Flag
! Bedeutung
|-
| D
| Debug-Exceptions sperren
|-
|-
| A || SError-Interrupts
| A
| Asynchrone Fehler (SError)
|-
|-
| I || IRQ-Interrupts
| I
| Normale Interrupts (IRQ)
|-
|-
| F || FIQ-Interrupts
| F
| Schnelle Interrupts (FIQ)
|}
|}


Diese Flags können im DAIF-Register eingestellt werden. Um IRQ-Interrupts zu ermöglich, sollte das I-Flag gelöscht werden.
Wenn ein Flag '''gesetzt''' ist (1), ist der entsprechende Interrupt '''gesperrt'''.
== Wichtige Befehle und Register ==
Um '''IRQs zu erlauben''', muss das '''I-Flag gelöscht''' werden (also auf 0 gesetzt).
 
Hier ein Überblick über die relevanten Register und Befehle:


Programmstatusregister (PSTATE): Kontrolliert u.a. die globalen Interrupts.
=== Beispiel: IRQ-Interrupts aktivieren ===


=== Beispiel (ARM-Assembly) zur Aktivierung von Interrupts ===
<source lang="armasm">
 
Folgender Code zeigt, wie man die IRQ-Interrupts explizit zulässt:
<syntaxhighlight lang="asm">
.global enable_interrupts
.global enable_interrupts
enable_interrupts:
enable_interrupts:
     mrs x0, DAIF           // DAIF Register lesen
     mrs x0, DAIF       // Lese aktuelle DAIF-Werte
     bic x0, x0, #(1<<7)   // IRQ-Freigabe (Setze I-Flag auf 0)
     bic x0, x0, #(1<<7) // I-Flag löschen (Bit 7)
     msr DAIF, x0           // DAIF Register zurückschreiben
     msr DAIF, x0       // Zurückschreiben → IRQs freigegeben
     ret
     ret
</syntaxhighlight>
</source>
 
== Interrupts mit dem Raspberry 4 im 64-Bit-Modus ==
Wie bereits zuvor beschrieben, muss der Raspberry Pi 4 in einen bestimmten Level sein.
 
Wenn kein spezieller Berechtigungslevel im Bare-Metal-Kernel angegeben wurde und der Raspberry Pi 4 direkt nach dem Einschalten startet, hängt der anfängliche Berechtigungslevel davon ab, in welchem Modus der Prozessor von der Firmware initialisiert wurde.
 
''Beim Raspberry Pi ist der typische Ablauf wie folgt'':


Der Bootloader (z. B. der von der GPU initialisierte Bootcode) lädt die Firmware und deinen Kernel.
'''Hinweis''': <code>bic</code> steht für „bit clear“. <code>(1<<7)</code> ist Bit 7 – das I-Flag im DAIF-Register.
Nach der Initialisierung durch die Firmware (häufig start.elf), wird die CPU bei vielen Bare-Metal-Installationen in EL2 (Hypervisor Mode) gestartet, wenn kein spezieller Wechsel zu einem bestimmten Berechtigungslevel vorgegeben wird.


Damit für uns alles gut funktioniert, müssen wir in den Level 1. Zuvor müssen wir uns noch um die verschiedenen CPUs kümmern. Zur Zeit Laufen alle vier Kerne des ARM-Prozessors parallel.
== Vorbereitung: Nur ein Kern aktivieren ==


== Umsetzung auf den Raspberry Pi 4 (64-Bit) ==
Der Raspberry Pi 4 hat '''vier CPU-Kerne'''. Beim Start laufen '''alle gleichzeitig'''. Wenn wir nicht aufpassen, könnte jeder Kern versuchen, Interrupts zu bearbeiten – das führt zu Chaos.
Bisher haben wir in unserem Boot-Code nicht viel geschrieben gehabt. Das einzige war, dass wir unsere Kernel-Stackpointer gesetzt haben und anschließend direkt in unseren Code gegangen sind.


Nun hat der Raspberry Pi 4 allerdings 4 Kerne, die unabhängig voneinander Programme ablaufen lassen können. Bei Interrupts, könnte das uns Probleme bereiten, wenn ein bestimmter Kern, den wir eigentlich nicht verwenden, eine Ausnahme verursacht. Dies könnte zu einem chaotischen Zustand des Raspberry Pi führen. Damit dies nicht passiert, werden wir unseren Code nur noch auf der Haupt-CPU ausführen und die übrigen CPUs schlafen legen:
Daher: Wir erlauben nur '''Kern 0 (CPU0)''' weiterzulaufen. Die anderen Kerne legen wir „in den Schlaf“.


<syntaxhighlight lang="asm">
<syntaxhighlight lang="asm">
.section .init
.section .init
.global _start
.global _start
_start:
    mrs x1, mpidr_el1    // Lese die Core-ID
    and x1, x1, #3      // Extrahiere die unteren 2 Bits (0 bis 3)
    cbz x1, core0        // Wenn ID = 0 → weiter auf Core0
core_sleep:
    wfe                  // Warte auf Ereignis (sleep)
    b core_sleep        // Dauerschleife


_start:
  mrs x1, mpidr_el1  //Lies den Inhalt des Systemregisters MPIDR_EL1 (Multiprocessor Affinity Register) und speichere ihn in Register x1.
  and x1, x1, #3
  cbz x1, core0
core_sleep: // Core 1-3 schlafen legen
  wfe
  b core_sleep:
core0:
core0:
    // Nur Core 0 kommt hierher
</syntaxhighlight>
</syntaxhighlight>
Mit "mrs" lesen wir das Systemregister MPIDR_EL1 aus. Dies beinhaltet die Kennung des CPUs. Diese ID steht in den unteren 2 Bits und kann durch "and #3" herausextrahiert werden.
Mit "cbz" Sprung, wenn "NULL" wird die CPU0 verwendet, die hier an Label "core0:" weiterspring. Alle anderen CPUs werden mit "wfe" schlafen gelegt und oder in die Dauerschleife "b core_sleep" versetzt.


Als nächstes prüfen wir das Level, um sicherzustellen, dass wir nicht schon bereits in EL1 sind.
> '''Tipp''': <code>mpidr_el1</code> enthält die Core-ID. 
> <code>wfe</code> (Wait For Event) hält den Kern ruhig, bis er geweckt wird.
 
== In EL1 wechseln ==
 
Wie gesagt: Interrupts gehören in '''EL1''', aber der Pi startet oft in '''EL2'''. Wir müssen also wechseln.
 
=== Schritt 1: Prüfen, ob wir schon in EL1 sind ===
 
<syntaxhighlight lang="asm">
<syntaxhighlight lang="asm">
  mrs x0, CurrentEL   //Überprüfen, ob bereits in EL1
    mrs x0, CurrentEL   // Lese aktuelles Exception Level
  cmp x0, #4
    cmp x0, #8          // EL1 hat Wert 8
  beq switch_to_el1
    beq switch_to_el1   // Wenn EL1, direkt weiter
</syntaxhighlight>
</syntaxhighlight>
Auch hierfür gibt es ein Systemregister, in dem der Momentane Level steht. Mit "mrs" und "CurrentEL" können wir dieses Register lesen. Wenn hier der Wert 4 steht, sind wir bereits in EL1 und überspringen das Umschalten in Level1.
=== Wechsel von EL2 nach EL1 ===
<syntaxhighlight lang="asm">
//Wechsel von EL2 nach EL1
  ldr x0, =EXCEPTION_STACK
  msr sp_el1, x0


  ldr x0, =VectorTable
> <code>CurrentEL</code> gibt z. B. <code>8</code> für EL1. Der Wert ist <code>ELn << 2</code>. 
  msr vbar_el2, x0
> Also: EL1 = 8, EL2 = 16.


  mrs x0, cnthctl_el2
=== Schritt 2: Wechsel von EL2 nach EL1 ===
  orr x0, x0, #0x3
  msr cnthctl_el2, x0
  msr cntvoff_el2, xzr


  mrs x0, midr_el1
<syntaxhighlight lang="asm">
  mrs x1, mpidr_el1
    ldr x0, =EXCEPTION_STACK    // Lade Stack für EL1
  msr vpidr_el2, x0
    msr sp_el1, x0             // Setze Stackpointer für EL1
  msr vmpidr_el2, x1


  mov x0, #0x33ff
    ldr x0, =VectorTable        // Adresse der Vektortabelle
  msr cptr_el2, x0
    msr vbar_el2, x0           // VBAR_EL2 zeigt auf Tabelle
  msr hstr_el2, xzr


  mov x0, #3 << 20
    // Timer-Einstellungen
  msr cpacr_el1, x0
    mrs x0, cnthctl_el2
    orr x0, x0, #0x3
    msr cnthctl_el2, x0
    msr cntvoff_el2, xzr


  mov x0, #(1 << 31)
    // Virtualisierung deaktivieren
  msr hcr_el2, x0
    mov x0, #0x33ff
    msr cptr_el2, x0
    msr hstr_el2, xzr


  mov x0, #0x0800
    mov x0, #(1 << 31)
  movk x0, #0x30d0, lsl #16
    msr hcr_el2, x0
  msr sctlr_el1, x0


  mov x0, #0x3c4
    // CPACR_EL1 für Gleitkomma
  msr spsr_el2, x0
    mov x0, #3 << 20
  adr x0, el1_return
    msr cpacr_el1, x0
  msr elr_el2, x0
  eret
</syntaxhighlight>


* ldr x0, =EXCEPTION_STACK: Die Adresse des Exception-Stacks wird geladen.
    // Systemsteuerregister EL1
* msr sp_el1, x0: Der Stack des EL1 (sp_el1) wird gesetzt.
    mov x0, #0x0800
    movk x0, #0x30d0, lsl #16
    msr sctlr_el1, x0


Dann folgen verschiedene Register-Konfigurationen, welche die Timer-Funktionalität sowie die virtuelle CPU-Profilierung einrichten:
    // SPSR für Rücksprung nach EL1
    mov x0, #0x3c4
    msr spsr_el2, x0


* msr cnthctl_el2, x0 und msr cntvoff_el2, xzr: Timer-Konfiguration.
    adr x0, el1_return
* msr vpidr_el2, x0 und msr vmpidr_el2, x1: Virtualisierungs-Konfiguration.
    msr elr_el2, x0


Weitere Einstellungen betreffen die Steuerregister und die HCR_EL2-Konfiguration:
    eret    // Wechsel nach EL1
</syntaxhighlight>


* msr cptr_el2, x0, msr hstr_el2, xzr: Steuerregister.
> Nach <code>eret</code> springt der Prozessor zu <code>el1_return</code> – aber jetzt in EL1.
* msr hcr_el2, x0: Hypervisor Configuration Register (HCR_EL2) wird konfiguriert.


Schließlich wird der Systemsteuer-Register SCTLR_EL1 initialisiert und das SPSR_EL2 gesetzt:
== Initialisierung in EL1 ==


* msr sctlr_el1, x0: Einstellung des System Control Register im EL1.
Nach dem Wechsel:
* msr spsr_el2, x0: Setzen des Saved Program Status Register, damit eret weiß, wohin er springen muss.


Mit eret erfolgt der eigentliche Wechsel auf Exception Level 1:
* eret: Return from exception und Wechsel auf EL1.
=== Initialisierung im EL1 ===
<syntaxhighlight lang="asm">
<syntaxhighlight lang="asm">
el1_return:
switch_to_el1:
switch_to_el1:
  ldr x1, =_start
    ldr x1, =_start
  mov sp, x1         // Stack setzen
    mov sp, x1                 // Stack setzen
    ldr x0, =VectorTable
    msr vbar_el1, x0            // Vektortabelle für EL1 aktivieren


  ldr x0, =VectorTable
    // BSS-Segment löschen (uninitialisierte Daten auf 0 setzen)
  msr vbar_el1, x0    // VectorTabelle setzen für Exceptions
    ldr x1, =__bss_start
 
    ldr w2, =__bss_size
  // BSS section reinigen
clean_bss_loop:
  ldr x1, =__bss_start
    cbz w2, bss_clean_done
  ldr w2, =__bss_size
    str xzr, [x1], #8
clean_bss_loop:  
    sub w2, w2, #1
  cbz w2, bss_clean_done   // Quit loop if zero
    cbnz w2, clean_bss_loop
  str xzr, [x1], #8
bss_clean_done:
  sub w2, w2, #1
  cbnz w2, clean_bss_loop   // Loop if non-zero


bss_clean_done:
    b main                      // Starte Hauptprogramm
  // Springe in unser Hauptprogramm
  b main
</syntaxhighlight>
</syntaxhighlight>


* ldr x1,=_start: Lade die Startadresse.
== Die Vektortabelle ==
* mov sp,x1: Setzen des Stack-Pointers an die Startadresse.


Reinigung der BSS-Sektion (__bss_start bis __bss_size) um sicherzustellen, dass alle uninitialisierten Daten null sind.
Die '''Vektortabelle''' sagt dem Prozessor, welche Funktion er bei einem Interrupt aufrufen soll. Sie enthält eine Liste von Sprüngen („Vectors“) für verschiedene Ausnahmetypen.


=== Warum wird der Wechsel durchgeführt? ===
=== Aufbau der Tabelle (ARMv8) ===


Der Wechsel von EL2 zu EL1 wird durchgeführt, um vom Hypervisor-Modus in den normalen Betriebsmodus des Systems zu wechseln. EL2 ist für Virtualisierung und Hypervisor-Funktionen reserviert, während EL1 für das OS oder Bare-Metal-Anwendungen wie hier vorgesehen ist. EL1 bietet die notwendige Kontrolle und Privilegien für die Initialisierung und den Betrieb des Systems. Der Hypervisor (EL2) wird meist nur zu Beginn für Konfigurationen benötigt oder bei niedriger privilegierten OS-Schichten.
Jeder Eintrag behandelt einen bestimmten Typ:


= Vektortabelle =
* '''Synchronous''': Fehler oder Systemaufrufe
* '''IRQ''': Normaler Interrupt
* '''FIQ''': Schneller Interrupt (höhere Priorität)
* '''SError''': Systemfehler (z. B. Speicherfehler)


Wie im Code zuvor ersichtlich, wird dem Prozessor ein Zeiger auf eine Vektortabelle übergeben. Diese benötigt der Prozessor, um zu sehen, was er machen soll, wenn bestimmte Ausnahmen (Exceptions), wie bereits beschrieben, bei der Ausführung entstehen.
Und jeweils für:
* Aktuelles Exception Level (z. B. EL1h)
* Niedrigeres Level (z. B. EL0)


== Struktur einer Vektortabelle ==
=== Beispiel: Vektortabelle für EL1 ===


Die ARMv8-Architektur, die im Raspberry Pi 4 verwendet wird, verfügt über eine spezielle Vektortabelle für verschiedene Arten von Ausnahmen.
Die Vektortabelle ist eine wie folgt strukturierte Liste von Adressen, welche die Einstiegspunkte für unterschiedliche Ausnahmearten (Exceptions) definiert. Der Prozessor springt basierend auf der Art der Ausnahme an die relevante Adresse innerhalb der Tabelle.
* Synchronous Exception - Lower Level
* IRQ (Normal Interrupt) - Lower Level
* FIQ (Fast Interrupt) - Lower Level
* SError (System Error) - Lower Level
* Synchronous Exception - Current Level
* IRQ (Normal Interrupt) - Current Level
* FIQ (Fast Interrupt) - Current Level
* SError (System Error) - Current Level
Zusätzlich muss man beachten, dass der Prozessor theoretisch im AArch64 und im AArch32 Modus befinden kann.
''Hinweis: Zu beachten ist, dass AArch32-Handler nur verwendet werden können, wenn der Prozessor für den Kompatibilitätsmodus eingerichtet wurde. Andernfalls sollten alle Handler AArch64-kompatibel implementiert werden.''
== Beispiel einer Vektortabelle ==
Hier ist ein Beispiel, wie eine Vektortabelle für EL1 aussehen könnte:
<syntaxhighlight lang="asm">
<syntaxhighlight lang="asm">
.align 11
.align 11                   // Muss auf 2048-Byte-Grenze
.globl VectorTable
.globl VectorTable
VectorTable:
VectorTable:
// Vektoren für EL1t (Current Exception Level SP_el0)
     // EL1 mit SP_EL0 (Benutzermodus)
    b sync_exception_el1t    // Synchronous Exception
     .align 7
    b irq_handler_el1t        // IRQ - Normal Interrupt
     b sync_exception_el1t
     b fiq_handler_el1t        // FIQ - Fast Interrupt
     .align 7
    b serror_handler_el1t    // SError - System Error
     b irq_handler_el1t
// Vektoren für EL1h (Current Exception Level SP_el1)
     .align 7
     b sync_exception_el1h    // Synchronous Exception
     b fiq_handler_el1t
     b irq_handler_el1h        // IRQ - Normal Interrupt
     .align 7
     b fiq_handler_el1h        // FIQ - Fast Interrupt
     b serror_handler_el1t
     b serror_handler_el1h    // SError - System Error
// Vektoren für EL0 64-bit Modus
     b sync_invalid_el0_64    // Synchronous EL0 (64-bit)
     b irq_invalid_el0_64      // IRQ EL0 (64-bit)
     b fiq_invalid_el0_64      // FIQ EL0 (64-bit)
     b error_invalid_el0_64    // Error EL0 (64-bit)
// Vektoren für EL0 32-bit Modus
    b sync_invalid_el0_32    // Synchronous EL0 (32-bit)
    b irq_invalid_el0_32      // IRQ EL0 (32-bit)
    b fiq_invalid_el0_32      // FIQ EL0 (32-bit)
    b error_invalid_el0_32    // Error EL0 (32-bit)
</syntaxhighlight>
Erläuterungen zu den Einträgen:
* sync_invalid_*: Diese Handler werden für synchrone Ausnahmen verwendet, wie z.B. system calls oder undefinierte Instruktionen.
* irq_invalid_*: Diese Handler werden für normale Interrupt-Anfragen verwendet.
* fiq_invalid_*: Diese Handler werden für schnelle Interrupt-Anfragen verwendet.
* error_invalid_*: Diese Handler werden für Systemfehler verwendet.


    // EL1 mit SP_EL1 (Kernelmodus)
    .align 7
    b sync_exception_el1h
    .align 7
    b irq_handler_el1h
    .align 7
    b fiq_handler_el1h
    .align 7
    b serror_handler_el1h


== Wichtige Punkte zur Vektortabelle ==
    // EL0 64-Bit (ungültig – nicht erlaubt)
* Ausrichtung: Die Vektortabelle muss auf eine bestimmte Weise ausgerichtet sein, typischerweise 2^11 Byte (2048 Byte, align 11), um den Anforderungen des ARM-Prozessors zu entsprechen.
    .align 7
* Reihenfolge: Die Reihenfolge der Einträge ist fix und muss den Spezifikationen entsprechend sein. Jeder Vektor muss die korrekte Entsprechung der Ausnahme-Adressen haben.
    b sync_invalid_el0_64
* Handlers: Jeder Eintrag in der Vektortabelle verweist auf einen spezifischen Handler für jede Art von Ausnahme.
    .align 7
    b irq_invalid_el0_64
    .align 7
    b fiq_invalid_el0_64
    .align 7
    b error_invalid_el0_64


= Was ist zu beachten bei Interrupts =
    // EL0 32-Bit (ebenfalls ungültig)
    .align 7
    b sync_invalid_el0_32
    .align 7
    b irq_invalid_el0_32
    .align 7
    b fiq_invalid_el0_32
    .align 7
    b error_invalid_el0_32
</syntaxhighlight>


Um zu verhindern, dass während der Bearbeitung einer Ausnahme (Interrupt Handling) eine weitere Ausnahme auftritt und zu unerwünschten Zuständen führt, gibt es mehrere Mechanismen, die verwendet werden können. Diese Mechanismen beinhalten das Maskieren von Interrupts, das Setzen von Flags und das Sicherstellen einer richtigen Reihenfolge und Priorität von Ausnahmebehandlungen.
'''Hinweis''':
* <code>.align 11</code> = 2048 Bytes für die gesamte Tabelle
* <code>.align 7</code> = 128 Bytes pro Eintrag (Abstand zwischen Vektoren)


== Mechanismen zur Verhinderung von Ausnahmen während der Ausnahmebehandlung ==
== Ein Interrupt-Handler: Schritt für Schritt ==


* Maskieren von Interrupts:
Hier ein Beispiel für einen '''IRQ-Handler''':


Beim Eintritt in einen Ausnahme-Handler kannst du alle weiteren Interrupts maskieren. Dies bedeutet, dass andere Interrupts so lange blockiert werden, bis der aktuelle Handler vollständig abgeschlossen ist.
<syntaxhighlight lang="asm">
FIQs haben eine höhere Priorität als IRQs und sind daher für zeitkritischere Operationen gedacht. Während ein IRQ behandelt wird, können FIQs dennoch ausgelöst werden, es sei denn, sie werden explizit maskiert.
irq_handler_el1t:
Die ARM-Architektur stellt dafür spezielle Register (DAIF, CPSR) zur Verfügung, mit denen Interrupts individuell oder global maskiert werden können.
irq_handler_el1h:
    stp x29, x30, [sp, #-16]!      // x29/x30 sichern
    mrs x29, elr_el1                // Rückkehradresse sichern
    mrs x30, spsr_el1              // Statusregister sichern
    stp x29, x30, [sp, #-16]!


* DAIF-Register:
    msr DAIFSet, #1                // FIQs sperren (nur für IRQ)


Das DAIF-Register enthält Flags, um Debug-, SError-, IRQ- und FIQ-Interrupts zu maskieren.
    // Alle Register sichern (inkl. Gleitkomma)
Um alle Interrupts zu maskieren, wird das DAIF-Register mit den entsprechenden Bits gesetzt.
    stp q0, q1, [sp, #-32]!
    stp q2, q3, [sp, #-32]!
    // ... bis q30, q31


== Bei der Ausführung des Handlers ==
    stp x1, x2, [sp, #-16]!
Da eine Ausnahme zu jeder Zeit geschehen kann, wird das laufende Programm unterbrochen. Die Register, die für das Ausführen des Programms verwendet werden, werden auch in der Ausnahme verwendet. Dies kann zu Problemen kommen, wenn der Code an der Ursprünglichen Adresse wieder ausgeführt wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, wenn es um eine absichtliche Ausnahme geht, die Register zu sichern, bevor die Ausführung des entsprechenden Codes für die Ausnahme abläuft. Aus diesem Grund, werden sämtliche Register auf den Stack abgelegt. Da wir auch Gleitkomma erlauben, müssen auch diese Register entsprechend abgelegt werden. Bei erfolgreichen Abarbeiten der Ausnahme, werden diese Register wieder aus dem Stack gefüllt und das Programm kann seinen Dienst fortführen.
    // ... bis x27, x28
    str x0, [sp, #-16]!


Während des ausführen einer Ausnahme sollte es dem System unterbunden werden, dass während der Bearbeitung weitere Ausnahmen entstehen. Dies kann zu einem katastrophalen System führen, welches nicht mehr händelbar ist. Hier kann durch das maskieren des DAIF-Registers das weitere auslösen von Ausnahmen verhindert werden. Siehe dazu auch den vorigen Absatz.
    bl InterruptHandler              // Aufruf der C-Funktion


    // Register wiederherstellen
    ldr x0, [sp], #16
    ldp x1, x2, [sp], #16
    // ... bis x27, x28


Hier Beispielhaft für einen "normalen" Interrupt:
     ldp q0, q1, [sp], #32
<syntaxhighlight lang="asm">
     // ... bis q30, q31
.align 11
.globl VectorTable
VectorTable:
// Vektoren für EL1t (Current Exception Level SP_el0)
     ...
    b irq_handler_el1t        // IRQ - Normal Interrupt
    ...
// Vektoren für EL1h (Current Exception Level SP_el1)
     ...
    b irq_handler_el1h        // IRQ - Normal Interrupt
    ...
// Vektoren für EL0 64-bit Modus
    ...
// Vektoren für EL0 32-bit Modus
    ...


...
    ldp x29, x30, [sp], #16         // elr_el1, spsr_el1
irq_handler_el1t:
    msr elr_el1, x29
irq_handler_el1h:
    msr spsr_el1, x30
stp x29, x30, [sp, #-16]! // save x29, x30 onto stack


mrs x29, elr_el1 // save elr_el1, spsr_el1 onto stack
    ldp x29, x30, [sp], #16         // x29/x30 wiederherstellen
mrs x30, spsr_el1
stp x29, x30, [sp, #-16]!
msr DAIFClr, #1 // enable FIQ


stp q30, q31, [sp, #-32]! // save q0-q31 onto stack
    eret                            // Zurück zum unterbrochenen Code
stp q28, q29, [sp, #-32]!
</syntaxhighlight>
stp q26, q27, [sp, #-32]!
stp q24, q25, [sp, #-32]!
stp q22, q23, [sp, #-32]!
stp q20, q21, [sp, #-32]!
stp q18, q19, [sp, #-32]!
stp q16, q17, [sp, #-32]!
stp q14, q15, [sp, #-32]!
stp q12, q13, [sp, #-32]!
stp q10, q11, [sp, #-32]!
stp q8, q9, [sp, #-32]!
stp q6, q7, [sp, #-32]!
stp q4, q5, [sp, #-32]!
stp q2, q3, [sp, #-32]!
stp q0, q1, [sp, #-32]!


stp x27, x28, [sp, #-16]! // save x0-x28 onto stack
== Wichtige Prinzipien beim Interrupt-Handling ==
stp x25, x26, [sp, #-16]!
stp x23, x24, [sp, #-16]!
stp x21, x22, [sp, #-16]!
stp x19, x20, [sp, #-16]!
stp x17, x18, [sp, #-16]!
stp x15, x16, [sp, #-16]!
stp x13, x14, [sp, #-16]!
stp x11, x12, [sp, #-16]!
stp x9, x10, [sp, #-16]!
stp x7, x8, [sp, #-16]!
stp x5, x6, [sp, #-16]!
stp x3, x4, [sp, #-16]!
stp x1, x2, [sp, #-16]!
str x0, [sp, #-16]!


ldr x0, =IRQReturnAddress // store return address for profiling
# '''Register sichern''': 
str x29, [x0]
  Beim Interrupt werden Register überschrieben. Daher '''alle Register auf den Stack speichern'''.
# '''Interrupts maskieren''': 
  Während ein Handler läuft, sollten keine weiteren Interrupts kommen. 
  → Setze <code>DAIFSet</code> am Anfang, um FIQs zu blockieren (wenn nötig).
# '''Schnell sein''': 
  Interrupt-Handler sollten '''schnell''' sein. Komplexe Aufgaben besser in den Hintergrund verlegen.
# '''eret verwenden''': 
  Der Befehl <code>eret</code> kehrt zum unterbrochenen Code zurück und stellt den Zustand wieder her.


bl InterruptHandler
== Zusammenfassung ==


ldr x0, [sp], #16 // restore x0-x28 from stack
* Interrupts unterbrechen den normalen Programmablauf.
ldp x1, x2, [sp], #16
* Sie werden über die '''Vektortabelle''' behandelt.
ldp x3, x4, [sp], #16
* Nur '''EL1 oder höher''' darf Interrupts verarbeiten.
ldp x5, x6, [sp], #16
* Mehrere Kerne? Nur '''einen aktivieren''', die anderen schlafen legen.
ldp x7, x8, [sp], #16
* '''DAIF-Register''' kontrolliert, welche Interrupts erlaubt sind.
ldp x9, x10, [sp], #16
* Im Handler: '''Register sichern''', '''Interrupts steuern''', '''schnell arbeiten''', '''eret''' benutzen.
ldp x11, x12, [sp], #16
ldp x13, x14, [sp], #16
ldp x15, x16, [sp], #16
ldp x17, x18, [sp], #16
ldp x19, x20, [sp], #16
ldp x21, x22, [sp], #16
ldp x23, x24, [sp], #16
ldp x25, x26, [sp], #16
ldp x27, x28, [sp], #16


ldp q0, q1, [sp], #32 // restore q0-q31 from stack
Mit diesem Wissen bist du bereit, echte Hardware-Interrupts (z. B. vom Timer oder GPIO) auf dem Raspberry Pi 4 zu nutzen!
ldp q2, q3, [sp], #32
ldp q4, q5, [sp], #32
ldp q6, q7, [sp], #32
ldp q8, q9, [sp], #32
ldp q10, q11, [sp], #32
ldp q12, q13, [sp], #32
ldp q14, q15, [sp], #32
ldp q16, q17, [sp], #32
ldp q18, q19, [sp], #32
ldp q20, q21, [sp], #32
ldp q22, q23, [sp], #32
ldp q24, q25, [sp], #32
ldp q26, q27, [sp], #32
ldp q28, q29, [sp], #32
ldp q30, q31, [sp], #32


msr DAIFSet, #1 // disable FIQ
Im nächsten Kapitel kümmern wir uns um den '''Systemtimer''', um den ersten echten Interrupt auszulösen.
ldp x29, x30, [sp], #16 // restore elr_el1, spsr_el1 from stack
msr elr_el1, x29
msr spsr_el1, x30


ldp x29, x30, [sp], #16 // restore x29, x30 from stack
-----


eret
{| style="width: 100%;
...
| style="width: 33%;" | [[Systeminformationen (PI4)|< Zurück (Systeminformationen)]]
</syntaxhighlight>
| style="width: 33%; text-align:center;" | [[Hauptseite|< Hauptseite >]]
| style="width: 33%; text-align:right;" | [[Beispiel Timer-Interrupt (PI4)|Weiter (Beispiel Timer-Interrupt) >]]
|}

Aktuelle Version vom 31. Juli 2025, 06:41 Uhr

Interrupts auf dem Raspberry Pi 4 (Bare Metal)

Interrupts sind Signale, die den normalen Ablauf des Prozessors unterbrechen, um auf bestimmte Ereignisse zu reagieren. Sie sind besonders wichtig in Echtzeitsystemen und bei der Steuerung von Hardware – zum Beispiel, wenn ein Timer abläuft oder eine Taste gedrückt wird.

In diesem Kapitel lernst du, wie Interrupts auf dem Raspberry Pi 4 im Bare-Metal-Modus funktionieren und wie du sie sicher einrichten kannst.

Was ist ein Interrupt?

Ein Interrupt (zu Deutsch: „Unterbrechung“) ist ein Signal, das den Prozessor dazu bringt, den gerade laufenden Code kurz zu pausieren. Stattdessen führt er eine spezielle Funktion aus – den sogenannten Interrupt-Handler (auch Interrupt Service Routine, kurz ISR).

Sobald der Handler fertig ist, kehrt der Prozessor an die Stelle zurück, an der er unterbrochen wurde, und arbeitet dort weiter.

Wann treten Interrupts auf?

Interrupts können durch verschiedene Ereignisse ausgelöst werden:

  • Externe Hardware:
 Zum Beispiel: Tastatur, Maus, Timer, GPIO-Pins.
  • Interne Geräte:
 Netzwerkadapter, Speichercontroller, Sensoren (Temperatur, Beschleunigung).
  • Software-Ereignisse:
 Systemaufrufe (z. B. svc-Befehl) oder Fehler wie Division durch Null.

Arten von Interrupts

Es gibt zwei wichtige Arten:

  • Maskierbare Interrupts (IRQ):
 Diese können vom Prozessor vorübergehend ausgeschaltet werden. Die meisten Interrupts (z. B. von Timern oder GPIO) sind IRQs.
  • Nicht maskierbare Interrupts (NMI):
 Diese können nicht ignoriert werden und haben höchste Priorität. Sie werden nur bei kritischen Fehlern oder Systemereignissen verwendet.

Betriebsmodi und Interrupts (ARMv8)

Der Raspberry Pi 4 nutzt einen ARM Cortex-A72-Prozessor mit 64-Bit-Architektur (AArch64). ARM unterscheidet verschiedene Exception Levels (EL):

  • EL0: Anwendungen (wenig Rechte)
  • EL1: Betriebssystem oder Bare-Metal-Kernel (hohe Rechte)
  • EL2: Hypervisor (z. B. für Virtualisierung)
  • EL3: Firmware (höchste Rechte)

Wichtig: Interrupts können nur in EL1 oder höher korrekt behandelt werden. Beim Start landet der Pi meist in EL2, daher müssen wir in EL1 wechseln.

Interrupts aktivieren: Die DAIF-Flags

Ob Interrupts erlaubt sind, wird über das DAIF-Register gesteuert. Es enthält vier Flags:

Flag Bedeutung
D Debug-Exceptions sperren
A Asynchrone Fehler (SError)
I Normale Interrupts (IRQ)
F Schnelle Interrupts (FIQ)

Wenn ein Flag gesetzt ist (1), ist der entsprechende Interrupt gesperrt. Um IRQs zu erlauben, muss das I-Flag gelöscht werden (also auf 0 gesetzt).

Beispiel: IRQ-Interrupts aktivieren

.global enable_interrupts
enable_interrupts:
    mrs x0, DAIF        // Lese aktuelle DAIF-Werte
    bic x0, x0, #(1<<7) // I-Flag löschen (Bit 7)
    msr DAIF, x0        // Zurückschreiben → IRQs freigegeben
    ret

Hinweis: bic steht für „bit clear“. (1<<7) ist Bit 7 – das I-Flag im DAIF-Register.

Vorbereitung: Nur ein Kern aktivieren

Der Raspberry Pi 4 hat vier CPU-Kerne. Beim Start laufen alle gleichzeitig. Wenn wir nicht aufpassen, könnte jeder Kern versuchen, Interrupts zu bearbeiten – das führt zu Chaos.

Daher: Wir erlauben nur Kern 0 (CPU0) weiterzulaufen. Die anderen Kerne legen wir „in den Schlaf“.

.section .init
.global _start
_start:
    mrs x1, mpidr_el1    // Lese die Core-ID
    and x1, x1, #3       // Extrahiere die unteren 2 Bits (0 bis 3)
    cbz x1, core0        // Wenn ID = 0 → weiter auf Core0

core_sleep:
    wfe                  // Warte auf Ereignis (sleep)
    b core_sleep         // Dauerschleife

core0:
    // Nur Core 0 kommt hierher

> Tipp: mpidr_el1 enthält die Core-ID. > wfe (Wait For Event) hält den Kern ruhig, bis er geweckt wird.

In EL1 wechseln

Wie gesagt: Interrupts gehören in EL1, aber der Pi startet oft in EL2. Wir müssen also wechseln.

Schritt 1: Prüfen, ob wir schon in EL1 sind

    mrs x0, CurrentEL    // Lese aktuelles Exception Level
    cmp x0, #8           // EL1 hat Wert 8
    beq switch_to_el1    // Wenn EL1, direkt weiter

> CurrentEL gibt z. B. 8 für EL1. Der Wert ist ELn << 2. > Also: EL1 = 8, EL2 = 16.

Schritt 2: Wechsel von EL2 nach EL1

    ldr x0, =EXCEPTION_STACK    // Lade Stack für EL1
    msr sp_el1, x0              // Setze Stackpointer für EL1

    ldr x0, =VectorTable        // Adresse der Vektortabelle
    msr vbar_el2, x0            // VBAR_EL2 zeigt auf Tabelle

    // Timer-Einstellungen
    mrs x0, cnthctl_el2
    orr x0, x0, #0x3
    msr cnthctl_el2, x0
    msr cntvoff_el2, xzr

    // Virtualisierung deaktivieren
    mov x0, #0x33ff
    msr cptr_el2, x0
    msr hstr_el2, xzr

    mov x0, #(1 << 31)
    msr hcr_el2, x0

    // CPACR_EL1 für Gleitkomma
    mov x0, #3 << 20
    msr cpacr_el1, x0

    // Systemsteuerregister EL1
    mov x0, #0x0800
    movk x0, #0x30d0, lsl #16
    msr sctlr_el1, x0

    // SPSR für Rücksprung nach EL1
    mov x0, #0x3c4
    msr spsr_el2, x0

    adr x0, el1_return
    msr elr_el2, x0

    eret    // Wechsel nach EL1

> Nach eret springt der Prozessor zu el1_return – aber jetzt in EL1.

Initialisierung in EL1

Nach dem Wechsel:

el1_return:
switch_to_el1:
    ldr x1, =_start
    mov sp, x1                  // Stack setzen
    ldr x0, =VectorTable
    msr vbar_el1, x0            // Vektortabelle für EL1 aktivieren

    // BSS-Segment löschen (uninitialisierte Daten auf 0 setzen)
    ldr x1, =__bss_start
    ldr w2, =__bss_size
clean_bss_loop:
    cbz w2, bss_clean_done
    str xzr, [x1], #8
    sub w2, w2, #1
    cbnz w2, clean_bss_loop
bss_clean_done:

    b main                      // Starte Hauptprogramm

Die Vektortabelle

Die Vektortabelle sagt dem Prozessor, welche Funktion er bei einem Interrupt aufrufen soll. Sie enthält eine Liste von Sprüngen („Vectors“) für verschiedene Ausnahmetypen.

Aufbau der Tabelle (ARMv8)

Jeder Eintrag behandelt einen bestimmten Typ:

  • Synchronous: Fehler oder Systemaufrufe
  • IRQ: Normaler Interrupt
  • FIQ: Schneller Interrupt (höhere Priorität)
  • SError: Systemfehler (z. B. Speicherfehler)

Und jeweils für:

  • Aktuelles Exception Level (z. B. EL1h)
  • Niedrigeres Level (z. B. EL0)

Beispiel: Vektortabelle für EL1

.align 11                    // Muss auf 2048-Byte-Grenze
.globl VectorTable
VectorTable:
    // EL1 mit SP_EL0 (Benutzermodus)
    .align 7
    b sync_exception_el1t
    .align 7
    b irq_handler_el1t
    .align 7
    b fiq_handler_el1t
    .align 7
    b serror_handler_el1t

    // EL1 mit SP_EL1 (Kernelmodus)
    .align 7
    b sync_exception_el1h
    .align 7
    b irq_handler_el1h
    .align 7
    b fiq_handler_el1h
    .align 7
    b serror_handler_el1h

    // EL0 64-Bit (ungültig – nicht erlaubt)
    .align 7
    b sync_invalid_el0_64
    .align 7
    b irq_invalid_el0_64
    .align 7
    b fiq_invalid_el0_64
    .align 7
    b error_invalid_el0_64

    // EL0 32-Bit (ebenfalls ungültig)
    .align 7
    b sync_invalid_el0_32
    .align 7
    b irq_invalid_el0_32
    .align 7
    b fiq_invalid_el0_32
    .align 7
    b error_invalid_el0_32

Hinweis:

  • .align 11 = 2048 Bytes für die gesamte Tabelle
  • .align 7 = 128 Bytes pro Eintrag (Abstand zwischen Vektoren)

Ein Interrupt-Handler: Schritt für Schritt

Hier ein Beispiel für einen IRQ-Handler:

irq_handler_el1t:
irq_handler_el1h:
    stp x29, x30, [sp, #-16]!       // x29/x30 sichern
    mrs x29, elr_el1                // Rückkehradresse sichern
    mrs x30, spsr_el1               // Statusregister sichern
    stp x29, x30, [sp, #-16]!

    msr DAIFSet, #1                 // FIQs sperren (nur für IRQ)

    // Alle Register sichern (inkl. Gleitkomma)
    stp q0, q1, [sp, #-32]!
    stp q2, q3, [sp, #-32]!
    // ... bis q30, q31

    stp x1, x2, [sp, #-16]!
    // ... bis x27, x28
    str x0, [sp, #-16]!

    bl InterruptHandler              // Aufruf der C-Funktion

    // Register wiederherstellen
    ldr x0, [sp], #16
    ldp x1, x2, [sp], #16
    // ... bis x27, x28

    ldp q0, q1, [sp], #32
    // ... bis q30, q31

    ldp x29, x30, [sp], #16          // elr_el1, spsr_el1
    msr elr_el1, x29
    msr spsr_el1, x30

    ldp x29, x30, [sp], #16          // x29/x30 wiederherstellen

    eret                             // Zurück zum unterbrochenen Code

Wichtige Prinzipien beim Interrupt-Handling

  1. Register sichern:
  Beim Interrupt werden Register überschrieben. Daher alle Register auf den Stack speichern.
  1. Interrupts maskieren:
  Während ein Handler läuft, sollten keine weiteren Interrupts kommen.  
  → Setze DAIFSet am Anfang, um FIQs zu blockieren (wenn nötig).
  1. Schnell sein:
  Interrupt-Handler sollten schnell sein. Komplexe Aufgaben besser in den Hintergrund verlegen.
  1. eret verwenden:
  Der Befehl eret kehrt zum unterbrochenen Code zurück und stellt den Zustand wieder her.

Zusammenfassung

  • Interrupts unterbrechen den normalen Programmablauf.
  • Sie werden über die Vektortabelle behandelt.
  • Nur EL1 oder höher darf Interrupts verarbeiten.
  • Mehrere Kerne? Nur einen aktivieren, die anderen schlafen legen.
  • DAIF-Register kontrolliert, welche Interrupts erlaubt sind.
  • Im Handler: Register sichern, Interrupts steuern, schnell arbeiten, eret benutzen.

Mit diesem Wissen bist du bereit, echte Hardware-Interrupts (z. B. vom Timer oder GPIO) auf dem Raspberry Pi 4 zu nutzen!

Im nächsten Kapitel kümmern wir uns um den Systemtimer, um den ersten echten Interrupt auszulösen.


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